Im Tanzschritt schwedischer Volksmusik
Zu Pfingsten singt der Mädchenchor am Kölner Dom in deutscher Erstaufführung die „Missa Popularis“ von Mårten Jansson
„Es sind reizvolle Melodien, ausgeprägte Instrumentalpassagen, wechselnde Tanzrhythmen. Stellenweise gibt es Takte zum Mitsingen, dann wieder fast unvermittelt eine feine Poetik a cappella. Und wenn es im Credo um das Auferstehungsgeheimnis geht, wird es – anders als sonst üblich – mit einem Unisono sehr schlicht und dennoch ungemein dicht und berührend.“ Oliver Sperling schwärmt von seiner jüngsten musikalischen Entdeckung, mit der er am Pfingstsonntag im Kölner Dom die über 25jährige Tradition einer großen Orchester-Messe zum Fest des Heiligen Geistes fortsetzen will. Erst vor wenigen Monaten hat er auf der Suche nach neuer Literatur für seinen Mädchenchor im Internet die „Missa Popularis“ des schwedischen Komponisten Mårten Jansson ausfindig gemacht, die im vergangenen Jahr als Uraufführung von einer polnischen Kollegin mit ihrem Girls Choir in Posen gespielt worden war und nun auf Youtube herunterzuladen ist. „Dieser Messe liegt zwar das lateinische Messordinarium zugrunde, und doch haben die einzelnen Sätze einen ganz eigenen Charakter. Immer wieder hört man die schwedische Volksmusik heraus, die sich durch das gesamte Werk zieht und die der Komponist als bewusste Zitate in seine Musik eingearbeitet hat“, erklärt Sperling. Man meine, geradezu die für das skandinavische Land im Mittsommer typische Lebensfreude, wenn nachts auf der Straße gesungen und getanzt werde, heraushören zu können.
Nicht umsonst hat Jansson seiner Komposition den Beinamen „Popularis“ gegeben. Denn populär ist, was geläufig ist. Und das sind in Schweden Volksweisen und folkloristische Tänze, die in diesem Land zum kulturellen Allgemeingut gehören. So ist das Kyrie eine „Polska“ – was zunächst eigentlich nur „Polnisch“ bedeutet – , dann aber einen Tanz mit der Tonalität einer bitter-süßen Melancholie benennt, der aus einer Zeit herrührt, als die schwedischen und polnischen Königsfamilien noch verwandtschaftlich miteinander verbunden waren. Das „Gloria“ ist ein „Schottis“, ebenfalls ein fröhlicher Tanz und zugleich auch der bekannteste in Schweden, weil er leicht erlernbar ist und sich daher großer Beliebtheit erfreut. Er basiert auf einem lang, kurz, kurz-Rhythmus mit vielen kleinen Sprüngen. Das „Credo“ wiederum ist der zentrale Satz der Messe, als ein „Ganglat“, eine Art Marsch – wörtlich „Wanderlied“ – konzipiert und hat das Metrum eines alla breve-Taktes. Das Sanctus ist ein „Bakmes“, eine Abwandlung der Polska, die – ungewöhnlich für schwedische Volkstänze – gegen den Uhrzeigersinn getanzt wird. Und das „Agnus Dei“ schließlich ist als Schlusssatz in Korrespondenz zum Kyrie angelegt und vom Grundtyp her dann wieder eine „Polska“.
Im Vorwort der erst im April druckgelegten Bärenreiter-Ausgabe räumt Jansson die starke volksmusikalische Prägung durch sein Elternhaus ein, in dem er seit Kindheitstagen immer wieder mit den verschiedenen Typen dieser Musik-Gattung in Kontakt gekommen ist. Der Vater soll schwedische Volksmusik auf der Violine gespielt haben und so die für die Messe auslösende Inspiration geliefert haben. „Es reizte mich auszuprobieren, wie diese folkloristischen Genres mit dem überlieferten Messtext interagieren“, berichtet der Komponist. „Dabei war es nicht mein Ziel, genuine Volksmusik zu schreiben, sondern vielmehr zu sehen, wohin die Messtexte mich führen.“ „Jansson ist jemand, dem es wichtig ist, mit seiner Musik Gefühle auszudrücken. Das ist ihm mit dieser Messe zweifelsohne gelungen – und gleich auf eine ganz unnachahmliche Weise. Aber das gerade macht ja ihren Charme aus“, findet Sperling. „Obwohl es neue Musik ist, klingt sie gut. Es macht einfach großen Spaß, sich auf diese für die Liturgie eher ungewöhnliche Musik einzulassen. Das spiegeln mir auch meine Sängerinnen. Wir proben die Messe erst seit sechs Wochen, und trotzdem haben wir alle sie schon längst ins Herz geschlossen.“
Das Festhochamt zu Pfingsten mit Hauptzelebrant Rainer Maria Kardinal Woelki beginnt um 10 Uhr im Kölner Dom. Unter der Leitung von Oliver Sperling musizieren der Mädchenchor am Kölner Dom sowie knapp 20 Orchestermusiker in deutscher Erstaufführung die „Missa Popularis“ von Mårten Jansson, der selbst eigens aus Uppsala zur Pfingstmesse nach Köln anreist.
In der Abtei Brauweiler gestaltet der Mädchenchor dann am 20. Mai um 20 Uhr mit derselben Messe das Eröffnungskonzert des Konzert-Festivals „Musica Sacra Nova“. In Ergänzung zur „Missa Popularis“ singt der Chor dann außerdem noch ein A-Cappella-Programm.
Beatrice Tomasetti