Bei der Programmwahl schließt sich ein (Lebens)kreis
Mit der Missa brevis in d-Moll und dem Requiem sind bei der „Geistlichen Musik am Dreikönigenschrein“ die erste und die letzte Kirchenmusik Mozarts zu hören
Gerade einmal zwölfjährig schrieb Mozart 1769 sein kirchenmusikalisches Erstlingswerk: die Missa brevis in d-Moll, Köchelverzeichnis 65, der noch weitere 16 Messen bis zu seinem Tod folgen sollten – darunter allein fünf mit der Zusatzbezeichnung „kurz“.
Also alle in gleicher Art für den liturgischen Gebrauch gedacht und in ihrer zeitlichen Überschaubarkeit bestens zur Gottesdienstgestaltung geeignet. Ein unvollständig gebliebenes Kompositionsfragment von komplexer Anlage mit den für ein solches Oratorium klar vorgegebenen Sätzen indes ist sein am Lebensende 1791 geschaffenes Requiem, ebenfalls in d-Moll, das heute zu Mozarts beliebtesten und dramatischsten Werken zählt, allerdings von seinen Schülern, Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr, nach seinem Tod im Auftrag der Witwe Constanze Mozart vollendet wurde. Beide geistlichen Chorwerke, die Beginn und Ende eines großen, aber kurzen Musikerlebens markieren, bringt jetzt der Jugendchor der Kölner Dommusik - Sängerinnen des Mädchenchores am Kölner Dom sowie mehrheitlich junge Herren des Kölner Domchores - beim nächsten Konzert der „Geistlichen Musik am Dreikönigenschrein“ am 3. November gemeinsam mit Concerto Köln und Gesangssolisten unter der Leitung von Domkantor Oliver Sperling zur Aufführung.
Zuletzt noch hatten die jugendlichen Sänger der Domchöre bei einem ungewöhnlichen Gemeinschaftsprojekt mit dem Gymnasium in Köln-Pesch das klassische Werk mit Rap-Elementen versetzt, moderne Sprechgesänge hinzugefügt und das Ganze dann unter dem Motto „Speak“ – zu deutsch: Sprich! – laufen lassen und in die Kölner Philharmonie gebracht. Allein schon der ausverkaufte Konzertsaal war ein Erfolg, dem dann aber auch noch zusätzlich viel öffentliche Anerkennung für diese musikalische „Übersetzungshilfe“ der Themen „Tod, Sterben und Trauer“ in die Lebenssituation von 14Jährigen folgte. Diesmal nun soll es jedoch ein Konzert mit der unverfälschten Originalversion der Totenmesse geben, die im Kölner Dom in jüngerer Zeit noch nie zu hören war, wie Sperling anmerkt. „Ich liebe dieses Stück“, schwärmt er von der geplanten Premiere an diesem Ort. „Als Essener Domsingknabe bin ich mit dem Mozart-Requiem gewissermaßen groß geworden, später habe ich am Continuo gesessen. In der Textausdeutung gehört es einfach zu den besten seiner Art.“ Den Orchesterpart übernehmen die Mitglieder von Concerto Köln als absolute Spezialisten für alte Musik. Deren historische Aufführungspraxis habe Weltniveau, lobt Sperling den verlässlichen Instrumentalpart bei dieser jüngsten Dommusik-Kooperation. „Ich freue mich sehr, dass ich dieses Requiem diesmal nicht nur einstudieren durfte, sondern zum ersten Mal auch am Dirigentenpult stehe.“
Nur zwei Drittel des Requiem stammen von Mozart selbst, da der Komponist während der Arbeit an diesem Auftragswerk schwer erkrankte und bis zu seinem Tod lediglich den Eröffnungssatz „Requiem aeternam“ mit allen Orchester- und Vokalstimmen niederschreiben konnte. Das folgende Kyrie und der größte Teil der „Dies irae“-Sequenz bis „Confutatis“ waren nur in den Gesangsstimmen fertig gestellt, darüber hinaus waren verschiedentlich einige wichtige Orchesterpartien kurz skizziert. Der letzte Satz der Sequenz, das „Lacrimosa“, indes brach bereits nach acht Takten ab und blieb unvollständig. In den 1960er Jahren wurde eine Skizze für eine Amen-Fuge entdeckt, die offenbar das „Lacrimosa“ beenden sollte. Die folgenden beiden Sätze des Offertoriums, das „Domine Jesu Christe“ und das „Hostias“, waren wiederum in den Gesangsstimmen und teilweise im Continuo ausgearbeitet. Das Sanctus, das Benedictus, das Agnus Dei und Communio fehlten völlig. Als Vorbild – so wird es heute in der Musikforschung gesehen - mag Mozart das Requiem in c-Moll seines Zeitgenossen Michael Haydn, eines Bruders des berühmteren Joseph Haydn, gedient haben, an dessen Uraufführung Mozart als 15Jähriger im Orchester mitgewirkt hatte.
Die Entstehungsgeschichte und Qualität der nachträglichen Ergänzungen durch die Schüler Eybler und Süßmayr wurde in der Musikgeschichte immer wieder kontrovers diskutiert. Die ungewöhnlichen Umstände des Kompositionsauftrags und der zeitliche Zusammenhang dieser Messe mit Mozarts frühem Tod haben unter anderem der These Vorschub geleistet, er habe sein frühes Ende vorausgeahnt und diese Gedenkmusik letztlich für sich selbst geschrieben.
Das Konzert der Reihe „Geistliche Musik am Dreikönigenschrein“ findet am 3. November um 20 Uhr in der Vierung des Kölner Domes statt. Es singt der Jugendchor der Kölner Dommusik, der von Concerto Köln begleitet wird. Als Solisten treten auf: Ina Siedlaczek, Sopran, Silvia de la Muela, Alt, Jan Kobow, Tenor, und Sebastian Noack, Bass. Die Leitung haben Oliver Sperling und Helena Wery. Der Eintritt ist frei. Ein Vorkonzert findet am Allerheiligenfest, dem 1. November, um 18 Uhr in der Grabeskirche St. Elisabeth, Mönchengladbach, statt.