"Ein Deutsches Requiem" im Kölner Dom
Projektchor aus Jugendlichen der Kölner Dommusik studiert erstmalig die Totenmesse von Brahms ein
„Ich bin ganz und gar erfüllt von Deinem Requiem“, antwortet Clara Schumann begeistert Johannes Brahms, als dieser ihr die Noten des 6. und 7. Satzes schickt. „Es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig anderes. Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend. Ich empfinde den ganzen reichen Schatz dieses Werkes bis ins Innerste, und die Begeisterung, die aus jedem Stücke spricht, rührt mich tief, daher ich mich auch nicht enthalten kann es auszusprechen. … Ach könnte ich es hören, was gäb’ ich wohl darum.“
Brahms komponierte das populäre Werk, das ihm gerade einmal 33-jährig zum Durchbruch verhalf und ihn berühmt machen sollte, in den Jahren 1856/66, kurz nachdem er aus dem evangelisch-lutherisch geprägten Hamburg nach Wien übergesiedelt war. Möglicherweise hat auch der tragische Todes seines verehrten Freundes und Mentors Robert Schumann Einfluss auf diese Komposition genommen. Und trotzdem ist es ihm ein Anliegen, nicht abgrundtiefe Trauer, sondern den Trost der Hinterbliebenen in den Fokus zu rücken. Nach diesem Anspruch wählt er auch die seiner Komposition zu Grunde gelegten Texte aus dem Alten und Neuen Testament in der Fassung der Luther-Bibel und orientiert sich damit nicht – wie sonst bei der kirchenmusikalischen Gattung eines Requiems üblich – am traditionellen Kanon einer solchen römisch-katholischen Totenmesse. Keine Trauermusik soll es sein, sondern eine Tröstung der Lebenden, „die da Leid tragen“, mit der er der Sterblichkeit Hoffnung auf das ewige Leben entgegenstellt. Was an Psalmen und Bibelzitaten diese Haltung stärkt, stellt er zu einer völlig neuen Textsammlung zusammen. Trotzdem bleiben die Hauptthemen dieses als Oratorium angelegten Monumentalwerkes für Soli, Chor und großes Orchester Leben und Tod, Trauer und Trost, Vergänglichkeit und Verklärung. Traditionelle Fürbitten oder auch der in beiden Konfessionen zentrale Verweis auf die Erlösung durch Christus spart Brahms aus, was ihm jedoch Kritik einbringt. „In Bremen“, so wird der Komponist dazu zitiert, „wird mein Requiem jährlich im Dom gesungen. Aber da der Name Christus gar nicht darin vorkommt, so wird die Erlaubnis zur Benutzung der Kirche nur unter der Bedingung erteilt, dass diesem Mangel durch eine Einlage abgeholfen werde.“
Der Jugendchor am Kölner Dom, der sich projektbezogen aus den älteren Sängerinnen des Mädchenchores am Kölner Dom, den Herrenstimmen des Kölner Domchores und ehemaligen Sängern beider Chöre bildet, hat sich nach dem Oratorium „Elias“ von Mendelssohn 2009 und dem Mozart-Requiem 2015 nun erstmalig auch mit Brahms beschäftigt und „Ein Deutsches Requiem“ bereits im Sommer auf den Probenplan gesetzt. Denn die Ersteinstudierung eines derart kompositorisch wie konditionell anspruchvollen Chorwerkes, das den Sängern stimmliches Durchhaltevermögen abverlangt, benötigt einen entsprechenden Vorlauf mit sich steigernden Probenphasen. Insgesamt werden 70 Jugendliche zwischen 14 und 26 Jahren das Requiem am 3. November in Kooperation mit dem Landesjugendorchester Nordrhein-Westfalen unter der Leitung von Hubert Buchberger im Kölner Dom aufführen. „Es wird spannend sein zu sehen, wie diese jungen Stimmen das Werk meistern, das sonst zumeist gestandene Oratorienchöre singen“, sagt Domkapellmeister Eberhard Metternich, der gemeinsam mit Assistent Patrick Cellnik in einer initialen Probenphase die Sänger des Domchores auf die umfangreichen Chorsätze des Requiems vorbereitet hat. „Jeder Satz in sich ist eine grandiose Perle“, pflichtet Domkantor Oliver Sperling bei, der beim reinen Notenstudium, das erst einmal mühevolle Detailarbeit bedeutete, von Chorassistentin Elena Szuczies unterstützt wurde. Sperling ist es auch, der für das gesamte Projekt die Hauptverantwortung trägt und die finale Arbeitsphase zwischen dem Chor und dem Chefdirigenten beim Probenwochenende am kommenden Samstag und Sonntag koordiniert. „Es ist ein tolles, aber anstrengendes Stück, das viel Konzentration erfordert“, findet er. Man spüre aber auch, wie diese Musik den Jugendlichen zu Herzen gehe. „Der frische Klang der jungen Sänger gepaart mit diesem großen romantischen Gestus – das lässt ein Dom-Konzert von ganz besonderer Qualität erwarten.“
Am 3. November findet das Brahms-Requiem um 20 Uhr in der Reihe „Geistliche Musik am Dreikönigenschrein“ im Kölner Dom statt. Es singt der Jugendchor am Kölner Dom (Einstudierung: Oliver Sperling); es spielt das Landesjugendorchester NRW. Als Solisten wirken mit: Kateryna Kasper, Sopran, und Michael Nagy, Bariton. Die Leitung hat Hubert Buchberger, der sich mit diesem Projekt nach 16 Jahren als ständiger Dirigent vom Landesjugendorchester verabschiedet. Der Eintritt ist frei.
Weitere Termine dieses Konzertes sind: am 2. November um 20 Uhr in der Kaiser-Friederich-Halle, Mönchengladbach, am 4. November um 18 Uhr im Lessinggymnasium, Frankfurt, und am 5. November um 18 Uhr in der Tonhalle, Düsseldorf.
Außerdem gestaltet der Jugendchor am Kölner Dom auch das Pontifikalamt am 1. November um 10 Uhr zu Allerheiligen mit Erzbischof Kardinal Woelki. Dann singen die Jugendlichen die „Missa pueri cantores treverensis“von Christian Heiß, Jahrgang 1967.
Beatrice Tomasetti