Aufbau der Welt mit Klängen und Tönen
An drei Konzerten mit der dritten Mahler-Sinfonie unter Francois-Xavier Roth sind 40 Kinder der Kölner Domchöre beteiligt
Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren stellt die Kölner Dommusik mit jeweils 40 Mädchen und Knaben nun schon zum dritten Mal den Kinderchor für die dritte Sinfonie von Gustav Mahler, die an diesem Sonntag und den beiden darauffolgenden Tagen in der Kölner Philharmonie aufgeführt wird. Denn zuletzt hatten die jungen Sängerinnen und Sänger bei einem Konzert mit dem Symphonie-Orchester des Bayrischen Rundfunks unter Bernhard Haitink im Juni 2016 und wenige Wochen zuvor mit dem WDR-Symphonieorchester unter Jukka-Pekka Saraste diesen Part übernommen und auf diese Weise gleich zwei unterschiedliche Interpretationen kennengelernt. An diesem Wochenende nun wirken sie bei der Aufführung des Gürzenich-Orchesters Köln mit und haben Teil an einer musikalischen Gestaltung, bei der sich das Orchester zusammen mit Chefdirigent François-Xavier Roth in der Konzertsaison 2018/19 auf den Spuren von Komponisten bewegt, die mit ihren sinfonischen Werken gewöhnliche Formen sprengen und das menschliche Dasein hinterfragen.
Den Auftakt zum Saisonschwerpunkt „Welt-Werden“ bildet Mahlers monumentales Werk in sechs Sätzen, das vom Gürzenich-Orchester 1902 beim 38. Tonkünstlerfest in Krefeld uraufgeführt wurde. Damit markiert dieses Konzert den Beginn der erfolgreichen Zusammenarbeit des Wiener Hofoperndirektors mit dem Kölner Gürzenich-Orchester, das in die Geschichte eingehen sollte. „Den Jubel zu schildern, der nach der Sinfonie ausbrach und Mahler immer wieder hervorrief – wohl ein Dutzend Mal – ist nicht möglich. Das war kein bloßes Feiern mehr, das war eine Huldigung“, berichtete damals der Rezensent der „Neuen Zeitschrift für Musik“. Dank des großen Erfolgs und Mahlers Begeisterung für die musikalische Leistung fand er in Köln und beim Gürzenich-Orchester daraufhin eine künstlerische Heimat.
Der Kinderchor tritt im 5. Satz der Sinfonie auf, dem das Lied „Es sungen drei Engel“ aus der Gedichtsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ zugrunde liegt. Hier intonieren die Mädchen- und Knabenstimmen, unterstützt von sechs Glocken, ein kindlich-naiv anmutendes „Bim-Bam“. Inhaltlich geht es um die Dimension der Religion, die in diesem kurzen und eher scherzhaften Satz, der auf einem „Bim“ auch überraschend abrupt endet, allerdings nicht mit der zu erwartenden Ernsthaftigkeit behandelt wird. Der Sünder Petrus bekennt Jesus seine Schuld und erhält Aussicht auf das Seelenheil durch seine Buße. Der Mittelteil des Gedichts erscheint bei Mahler dann in dialogischer Form, während die Musik zunehmend choralartiger wird, aber auch humoristische Elemente nicht fehlen. Eine komplette musikalische Kosmologie zu erschaffen – das war das Anliegen Gustav Mahlers in seiner dritten Symphonie: von der unbeseelten Materie über Pflanzen, Tiere, Menschen und Engel bis hinauf zur göttlichen Liebe.
„Alle drei Dirigenten bauen diese Komposition dramaturgisch anders auf. Da ist es sehr interessant, von außen zu beobachten, wie unterschiedlich sich auch ihre Arbeit mit den Kindern gestaltet“, kommentiert Chorleiter Eberhard Metternich das aktuelle Konzert-Projekt. Auch Francois-Xavier Roth schlüssele dieses Werk noch einmal ganz anders auf. Und so gebe dieser Auftritt den Zehn- bis 13-jährigen Sängerinnen und Sängern die Gelegenheit, mit einem weiteren renommierten Dirigenten an einem solchen spätromantischen Monumentalwerk zu arbeiten. Solche Begegnungen, weil sie punktgenaue Konzentrationsarbeit erforderten und besonders intensiv seien, erlebten alle immer als ganz besonders spannend, so Metternich.
Es heißt, dass Mahler sein künstlerisches Credo nirgendwo so klar und eindrucksvoll umgesetzt hat wie in dieser 1895/96 komponierten Sinfonie Nr. 3. Denn hier „finden strenger Kirchenton und fröhliche Tanzweise, naiver Naturlaut und artistische Verfeinerung bruchlos zueinander“, heißt es in einer Vorankündigung zu dieser Aufführung. "Die ganze Natur bekommt darin eine Stimme und erzählt tief Geheimes!“, hat Mahler selbst über seine sechssätzige Komposition gesagt, während er an anderer Stelle eher Grundsätzliches zu seinem Verständnis dieses bis zu anderthalb Stunden dauernden Opus erläutert. Nämlich: „Sinfonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.“
Das Sinfoniekonzert, Mahlers Sinfonie Nr. 3 d-Moll für Alt, Frauenchor, Kinderchor und Orchester, findet am 30. September um 11 Uhr sowie am 1. und 2. Oktober jeweils um 20 Uhr in der Philharmonie statt. Die Mitwirkenden sind: Sara Mingardo, Alt, die Schola Heidelberg Frauenchor (Einstudierung: Walter Nussbaum), Mädchen und Knaben des Kölner Doms (Einstudierung: Eberhard Metternich) und das Gürzenich-Orchester Köln unter der Leitung von François-Xavier Roth.
Das Konzert am 2. Oktober ist im GO Plus Livestream in Kooperation mit takt1 zu erleben.