Gipfeltreffen musikalischer Botschafter
Der Kölner Domchor nimmt am 12. Europäischen Chorfestival „Giuseppe Zelioli“ im oberitalienischen Lecco teil
Fünf Tage Chorgesang auf höchstem Niveau. Geht es nach Raffaele Colombo, dem Präsident von Harmonia Gentium und Maestro PierAngelo Pelucchi, dem künstlerischen Leiter des Chorfestivals „Giuseppe Zelioli“ in der oberitalienischen Kleinstadt Lecco, dann treffen von Mittwoch bis Sonntag nur europäische Spitzenensembles bei dieser traditionellen Jugendchorveranstaltung am Comer See aufeinander – und solche, die wie der Kölner Domchor wegen seines Ersten Preises vor zwei Jahren zusätzlich vom Veranstalter den besonderen Titel „Ospite d’onore“ – Ehrengastchor – verliehen bekommen haben.
Für fünf Tage jedenfalls wird dieser malerische Ort in der Lombardei mit seiner monumentalen Basilika San Nicolò hoch über dem See zu einer Art musikalischem Zentrum, das alle zwei Jahre einen Wettbewerb auslobt, bei dem es für die teilnehmenden Chöre aus allen Teilen Europas zwar Preise zu gewinnen gibt, die vielen Konzerte in Lecco und Umgebung aber vorrangig der Völkerverständigung dienen und den Jugendlichen zum interkulturellen Austausch untereinander. Gewissermaßen ein Gipfeltreffen von Botschaftern, die grenzübergreifend Brücken mit Musik bauen, jeweils ihr eigenes Land vertreten und mit dem, was sie an Programm mitbringen, auch ihr eigenes Profil als Chorgemeinschaft schärfen.
Zum zweiten Mal nun ist vom 6. bis 10. Juli auch wieder eine Auswahl des Kölner Domchores mit dabei und misst sich in Klangqualität, Intonation, Genauigkeit der Aussprache und künstlerischen Gesamteindruck mit einer starken Konkurrenz – laut Ausschreibung der Verantwortlichen: eben mit den besten. Aus acht unterschiedlichen Nationen kommen diesmal die zehn Ensembles, die in 14 verschiedenen Kirchen der Provinzen Bergamo, Como, Sondrio, Monza Brianza und Lecco auftreten und bei dieser zwölften Ausgabe dieses renommierten Festivals gleichzeitig auch den 30. Jahrestag seit Gründung der Initiative „Harmonia Gentium“ begehen. “Wir freuen uns immer, bei solchen Gelegenheiten mit Chören aus europäischen Nachbarländern zusammenzutreffen, die manchmal ganz anders aufgestellt sind als wir und auch nicht unbedingt im liturgischen Dienst stehen“, sagt Domchorleiter Eberhard Metternich über die Konzertreise nach Italien, für die seine Sänger immerhin eine Woche vor offiziellem Schulferienbeginn eine Vorab-Beurlaubung benötigten. „Mit manchen gibt es dann ein Wiedersehen, weil man sich bereits von den internationalen Pueri cantores-Treffen kennt. Andere Begegnungen sind völlig neu, aber gerade deshalb ja auch besonders spannend und inspirierend. Die Kinder knüpfen Kontakte untereinander und vernetzen sich schnell.“ Schon mancher Besuch im Ausland habe eine Gegeneinladung zur Folge gehabt, so dass schon die exotischsten Chöre daheim am Dreikönigenschrein gesungen hätten. Hinzu komme, so Metternich, dass bei solchen Chorfestivals eine große Chance darin liege, aufmerksam zu beobachten, wie andere Chöre arbeiten und welche Literatur sie auswählen. Die Verständigung darüber schaffe unter Umständen ganz neue Anreize für die eigene Beschäftigung mit Musik. Das erweitere gerade für die Jüngeren, die zum ersten Mal an einem solchen Chortreffen teilnähmen, enorm den eigenen Erfahrungshorizont.
Metternich hat für Lecco ein A-Cappella-Programm mit Motetten von Palestrina, Schütz, Mendelssohn, Hessenberg und Nystedt zusammengestellt, das er an drei verschiedenen Orten – in Lecco, in Bergamo und in Erba – singen wird. Ja, und kölsche Idiome, wie „Am Dom zo Kölle“ oder „Stammbaum“ von den Bläck Fööss dürfen bei der traditionellen Parade der Chöre mit anschließendem Folklore-Abend am Samstag, bei dem die Kölner in dem für ihre Stadt typischen Hänneschen-Kostüm mit den rotgestreiften Mützen die Rheinmetropole nach Italien bringen, auch nicht fehlen. „Da wird Freude pur vermittelt. Ich habe noch in allerbester Erinnerung, wie ansteckend unsere kölschen Töne bei unserer ersten Teilnahme in Lecco waren“, lacht Metternich. „Am Ende lagen sich wildfremde Menschen in den Armen und schunkelten mit, als wäre der Karneval hier zuhause. Das war wie eine Initialzündung. Noch am nächsten Tag schwärmten die Veranstalter von der großartigen Stimmung, die wir mit unserem Beitrag auf die Bühne gebracht hatten“, blickt Metternich sichtlich amüsiert zurück. Letztlich mache ja gerade auch ein sehr abwechslungsreiches Repertoire einen wirklich guten Chor aus. „Jedenfalls“, so stellt er fest, „ist es für uns eine große Ehre, bei diesem überregional bekannten Festival als einziger deutscher Chor angefragt zu sein.“
„Diese Chorveranstaltung hat über die Jahre einen ganz eigenen Charakter mit einer festen Struktur entwickelt, an deren Ende immer der musikalisch gemeinsam gestaltete Gottesdienst mit einer Messe unseres lokalen Komponisten Giuseppe Zelioli steht“, erklärt Pelucchi. Doch bei allen Neuerungen, die sich zwischendurch auf einem solchen jahrzehntelangen Weg zwangsläufig auch immer ergäben, gehe es letztlich immer noch vorrangig darum, dass alle Teilnehmer dieses europäische Jugendchortreffen für sich als Fest erlebten. Und der eigentliche Wettstreit für jeden Chor liege zunächst einmal darin, mit sich selbst um eine bestmögliche Darbietung zu ringen, vor Publikum dann alles zu geben und im Vergleich mit den anderen die eigenen Schwächen und Stärken zu erkennen, also in jedem Fall dazuzulernen und jede persönliche Begabung in den Dienst der Musik zu stellen. Um ein internationales Forum für musikalisch neue Erfahrungen, neue Kontakte und neue Eindrücke geht es immer auch Raffaele Colombo, der dieses „Zelioli-Festival“ 1986 in seiner Heimatstadt ins Leben gerufen hat. „Es geht mehr als nur um einen Wettbewerb oder einen großen Workshop“, betont er daher gerne. „In den kommenden Tagen können wir erleben, wie die Kraft von Musik und Gesang Beziehungen und Freundschaften über alle kulturellen und sprachlichen Grenzen hinweg schafft und uns die Begeisterung dafür gegenseitig bereichert.“ Der Erfolg dieses Festivals verdanke sich jedem einzelnen Sänger, der einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Dialog leiste.
Erstmalig wird in diesem Jahr der Abschlussgottesdienst am Sonntag, dem 10. Juli, vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Rai 1 live um 11 Uhr übertragen. Den Part der Choralschola übernehmen die Herren des Kölner Domchores unter der Leitung von Domkapellmeister Professor Eberhard Metternich. Das vollständige Programm des Festivals ist unter www.festivalzelioli.it abrufbar.
Beatrice Tomasetti