"Wir haben Seinen Stern gesehen..."
Der Künstler Hans Christian Rüngeler hat mit den Drittklässlern ihr Kommunionbild erarbeitet
Mit großer Ernsthaftigkeit ist Celina bei der Sache. „Die Hose mache ich blau, und für die Krone brauche ich noch einmal das kräftige Gelb.“ Immer wieder bewegt sie kräftig den kleinen Roller hin und her, mit dem sie auf ihre Figur aus Moosgummi die Farbmasse auftragen will. Mit Anna, Julian und Goran steht sie vor der bunten Palette, aus der sie auswählen kann. Denn alle Kinder sollen ihr figürliches Konterfei, das sie zuvor selbst ausgeschnitten haben, nun möglichst bunt und nach ihren eigenen Vorstellungen bemalen. Für die Hände und Schuhe braucht es noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl. Denn da tupfen die Drittklässler nur sehr vorsichtig die jeweilige Farbe auf die besagte Stelle ihres Druckstocks. Da aber auch der Haut-Ton und die Kleiderfarbe gerade erst frisch aufgetragen wurden, müssen sie sorgfältig darauf achten, dass nun das noch nasse Rosa, Grün oder Rot nicht in das Schwarz der Schuhe verläuft und umgekehrt.
Auch das hauchdünne Blattgold muss fein säuberlich auf die vorbearbeitete Fläche aufgeklebt werden, damit nichts von dem staubkornleichten und in seiner Wirkung so faszinierenden Material verloren geht. Das erfordert Konzentration auf jeden einzelnen Schritt, der gerade dran ist. So hat es ihnen Hans Christian Rüngeler aber auch ans Herz gelegt. Denn im Nachhinein kann nichts mehr korrigiert werden. Und da das Bild immerhin schon zu zwei Dritteln fertig ist, muss jetzt jeder sehr kontrolliert und achtsam vorgehen, wenn er nachher auf seinen Beitrag zu diesem Gemeinschaftskunstwerk mit der Fertigung seines kleinen Selbstporträts stolz sein will.
Zunächst wird es am Tag der Erstkommunion im Dom aufgestellt und danach ein ganzes Jahr lang im Foyer der Schule zu sehen sein. Am Ende sollen alle 47 Kommunionkinder denselben künstlerischen Prozess durchlaufen und an der Gestaltung des Kommunionbildes ihres Jahrgangs aktiv mitgewirkt haben. Die schöpferische Beteiligung jedenfalls ist das Anliegen des Künstlers Rüngeler, der sich – wie in jedem der nun mehr als 20 Jahren, in denen er ehrenamtlich für die Domsingschule arbeitet – wieder ein ganz besonderes Thema für die diesjährigen Erstkommunionklassen ausgedacht hat. „Diesmal ziehen alle als Sternsinger auf einer langen Straße durch die Stadt, an deren Ende am schwarzen Nachthimmel der Stern von Bethlehem steht“, beschreibt Rüngeler seine Idee. „Im Mittelpunkt steht diesmal der Weg“, betont er. Dabei sei dieser Weg durchaus auch sinnbildlich gemeint. „Immerhin machen sich die Kinder auch bei ihrer Vorbereitung auf den Empfang dieses Sakramentes für einen langen Zeitraum gemeinsam auf einen Weg. Und das bringen sie mit den vielen kleinen Einzelbildern, aus denen dieses Gemeinschaftsbild entsteht, zum Ausdruck“, so Rüngeler. „Darüber haben wir bei der Konzeption des Themas auch gesprochen. Denn natürlich ist wichtig, dass die Kinder selbst kreativ werden und eigene Ideen beisteuern; ich liefere nur das Gerüst. Der Rest ist künstlerische Freiheit. Und das ist auch bewusst so gewollt, wenn das Endergebnis manchmal ganz anders aussieht als zunächst geplant.“ Ganz zum Schluss werde dann auch erst der Titel festgelegt. „Wir haben Seinen Stern gesehen…“, das beliebte Dom-Wallfahrtslied aus der Feder von Domkantor Oliver Sperling, dränge sich als Überschrift bei diesem Motiv ja geradezu auf, meint der freischaffende Künstler.
Drei Tage lang hat der Maler, dessen Landschaftsbildern die Künstler-Union-Köln zurzeit eine Ausstellung im Kölner Maternushaus widmet, mit den Kindern der Domsingschule künstlerisch gearbeitet. Und das Ergebnis kann sich – wie immer bei dieser produktiven Allianz – sehen lassen. „Oberstes Ziel ist ein authentisches Kunstwerk, bei dem es vor allem um die Kinder, ihre Spiritualität und ihre Gestaltungskraft geht. Meine Aufgabe könnte man vielleicht eher mit der eines Dirigenten vergleichen, der bemüht ist, dieser Kraft ein Forum zu geben und sie in einem Gesamtwerk zum Klingen zu bringen“, skizziert Rüngeler seinen Part dabei. „Die Kinder lernen, ein Thema bildnerisch umzusetzen. Sie kommen mit verschiedenen Techniken in Kontakt und sie lernen, respektvoll mit ihren Mitschülern an einem gemeinsamen Ergebnis zu arbeiten. Das macht sie zum Teil eines Ganzen. Und ganz nebenbei bekommen sie auch noch Einblick in meine Berufssparte.“ Eigennutz dürfe ihm bei dem Engagement für die Kinder aber auch unterstellt werden, räumt der 60-Jährige mit einem Augenzwinkern ein, der seine pädagogische Arbeit im Kardinal-Höffner-Haus als einen Ausdruck von „Begeisterung und Dankbarkeit“ verstanden wissen will. „Von dem, was ich selbst mit meinen inzwischen erwachsenen Kindern hier vor vielen Jahren erlebt habe, möchte ich auf diese Weise etwas zurückgeben. Denn das Konzept dieser Einrichtung ist einfach großartig.“ Es freue ihn, dass die Bildende Kunst gleich nach der musikalischen Erziehung und Prägung einen festen Platz in der Domsingschule habe. „Die ureigene Kreativität der Acht- und Neunjährigen fasziniert mich immer wieder aufs Neue“, unterstreicht Rüngeler. „Letztlich profitiere ich davon selbst am meisten, wenn ich die eine oder andere kindliche Anregung im Anschluss in meiner eigenen Kunst verwerte.“
Beatrice Tomasetti