42 neue Sängerinnen und Sänger verstärken von nun an die Domchöre


Es fühlt sich an wie eine Belohnung für monatelanges Üben. An diesem Sonntag erfolgt die festliche Aufnahme des Nachwuchses für die Chöre am Dom. Auf dem Programm steht eine beliebte Messe, die regelmäßig für Gänsehautmomente sorgt.

Amaliyas Augen leuchten, wenn sie von der letzten Chorprobe berichtet, in der zum ersten Mal auch die tiefen Männerstimmen mit dabei waren. "Diese Musik hat etwas Magisches", formuliert die Neunjährige, die für ihr Alter ungewöhnlich offen ihre Gefühle, die das gemeinschaftliche Singen in ihr auslöst, definieren kann. "Diese Klänge verleiten dazu, beim Hören vor sich hinzuträumen. Schließlich besteht Musik nicht nur aus Tönen, die man herumträllert; sie bilden aneinandergereiht eine Ordnung, die – wenn sie fließt – zu einer Melodie werden." Sie habe Schwung, entfalte eine Pracht, als würde die Sonne aufgehen. "Wie eine Explosion", fügt die Viertklässlerin noch hinzu und strahlt bei diesem Vergleich über das ganze Gesicht. Die junge Sängerin meint mit diesem Bild die ersten Töne des Kyrie der "Messe solenelle" in cis-Moll von Vierne. "Das Motiv beginnt im Alt, dann übernehmen wir im Sopran. Da bekommt man Gänsehaut."

Diese Chorliteratur gehört zum festen Repertoire der Kölner Dommusik und ist inzwischen die musikalische Messlatte bei der Neuaufnahme von den Mädchen und Jungen, die von nun an mit ihrer Stimme immer die sonntägliche Liturgie im Dom mitgestalten wollen. "Dort auf dem Chorpodest zu stehen ist nicht selbstverständlich", stellt Amaliya fest. "Da muss man sich hocharbeiten, sich den Auftritt gewissermaßen verdienen." Aufgeregt sei sie schon angesichts der anstehenden musikalischen Herausforderung. "Aber ich habe ja viele ältere Chorsängerinnen hinter mir. Das beruhigt mich." Von ihren Solo-Auftritten an der Geige wisse sie ohnehin, worauf es ankomme.

Auch Julian, für den es – wie für Amaliya – an diesem Sonntag darum geht, offiziell vom B- in den A-Chor zu wechseln, kann sich der Unterstützung der älteren Chorkollegen sicher sein. "Wenn du dich versingst, helfen dir die anderen, wieder reinzufinden. Dafür ist die Gemeinschaft gut." Singen mache einfach Spaß, gebe ihm Energie. "Cool ist natürlich, wenn man ein Stück kann und es sich schön anhört." So zum Beispiel gleich der erste Orgelton der Vierne-Messe, der sei besonders toll, schwärmt auch er. "Da ist ganz viel Power drin." Angst vor dem großen Tag? "Eigentlich nicht. Wenn man fleißig mitgeübt hat, findet man irgendwann rein."

Richtig schwer sei die Musik ja nicht, auch das "Tria sunt munera" zum feierlichen Einzug in den Dom nicht. Aber klar, räumt er ein, ein bisschen Lampenfieber, vor so vielen Leuten zu singen, zumal der Gottesdienst ja auch noch live übertragen werde, habe er schon.

Zum Domjubiläum 1998 hat Domkapellmeister Eberhard Metternich die Vierne-Messe zum ersten Mal aufs Programm gesetzt. Seitdem haben ganze Sängergenerationen mit diesem Werk für Chor und zwei Orgeln ihren Einstand am Dom gegeben. "Es ist für eine gotische Kathedrale geschrieben, passt gerade auch mit seinem variablen Orgelpart und den romantischen Klangfarben wunderbar in diesen erhabenen Raum", erklärt der langjährige Leiter der Kölner Dommusik. "Zudem bietet die Messe eine Fülle an pädagogischen Elementen, die den Erlebnishorizont der Jüngsten unter den Sängern weiten."
Darüber hinaus lernten sie an diesem Werk viele musikalische Fachtermini. "Meine Lieblingsbegriffe", lacht Metternich und meint zum Beispiel Worte wie Synkope, Chromatik oder enharmonische Verwechslungen. Außerdem erläutert er die ungewöhnliche Tonart cis-Moll mit sieben Kreuzen und überhaupt die Doppelkreuze, die man erst mal in Töne übersetzen muss. "Normalerweise Wahnsinn für Kinder in diesem Alter", kommentiert der Chorleiter. "Aber sie saugen das geradezu auf." In der Summe alles machbar, aber anspruchsvoll, resümiert Metternich und betont: "Eben eine tolle Messe für die Liturgie. Da darf es auch schon mal unter die Haut gehen."

Amaliya und Julian stehen für 42 Neuzugänge in den Chören am Dom, die eng an ihre Ausbildungsstätten Kölner Domsingschule und Musikschule der Dommusik gebunden sind. Das heißt, in der Regel wachsen bereits die Grundschüler der ersten Klasse in behutsamen Schritten in dieses Chorengagement hinein, so dass zur Halbzeit im vierten Schuljahr traditionell immer die offizielle Aufnahme in den Domchor bzw. den Mädchenchor am Kölner Dom ansteht. Doch nicht nur dieser Art von "Automatismus" verdankt sich ein konstantes Nachrücken der Neun- und Zehnjährigen. Auch das Gesamtpaket stimmt: Schon im letzten Kita-Jahr können Fünfjährige die Vorschule im Lindenthaler Chorzentrum besuchen und spielerisch mit Musik in Kontakt kommen, um später voll in den Chorbetrieb einzusteigen. Oder auch die vielen Auftritte in der Liturgie, in Konzertsälen und der Oper sowie Chorfahrten und internationale Konzertreisen machen Singen in der Dommusik für Kinder und Jugendliche als Hobby attraktiv.

Wie zuletzt auch das Probenwochenende in Altenberg, bei dem nicht nur das gesamte Musikprogramm für den Gottesdienst mit dem feierlichen Aufnahmeritual nochmals auf der Agenda stand, sondern auch Freizeitphasen mit Kreativelementen, einem Besuch des Märchenwaldes und dem allmählichen Vertrautwerden mit liturgischen Elementen wie Wasser oder Weihrauch. Entsprechend bezeichnet Mädchenchorleiter Oliver Sperling dieses bewusst intensive Miteinander, bei dem nicht allein das Singen im Zentrum steht, auch als "musikalische Exerzitien".

A-Chor-Neuankömmlinge Jahrgang 2024/25 beim Probenwochenende

Denn Freude an Gemeinschaft, am gemeinsamen Musizieren, ist die eigentliche Triebfeder für die Kinder wie auch für die Pädagogen. "Es geht um das Wecken von Sensibilität für die Schönheit von Musik und um Emotionalität, um die Entwicklung der Stimme und das Erlebnis klanglicher Weite, wenn alle Stimmen zusammengebaut werden und dann der je eigene Charakter der einzelnen Ordinariumsteile herauszuhören ist", erklärt Sperling. Das Ergebnis wochenlangen Probens werde für die Kinder oft zu einem Schlüsselerlebnis, bei dem sie ihre Selbstwirksamkeit, aber auch die enorme Kraft der Musik zu fühlen lernten.

"Denn Musik hat nicht nur dienenden Selbstzweck", argumentiert der Domkantor. "Sie soll anrühren und nachdenklich machen, im besten Fall Freude schenken und eine Saite anreißen, die einen im Alltag zu sich selbst bringt." Nur wenn die Ausführenden selbst von ihrer Musik berührt seien, könne der Funke auch auf andere überspringen.

Der Gottesdienst mit der offiziellen Aufnahme in die A-Chöre am So, 09.02.2025 wird live übertragen auf DOMRADIO.DE.