"Der Dom wird erbeben" - Liverpooler Chöre zu Besuch in Köln
Die Konzertreise des Domchores und des Mädchenchores am Kölner Dom nach England ist gerade mal gut zwei Wochen her, nun machen die Liverpooler einen Gegenbesuch in Köln. Rund um Allerheiligen stemmen sie ein beeindruckendes Programm in gleich mehreren Kirchen der Stadt.
Programm der Liverpooler Chöre
Do, 31.10.2024
18 Uhr
Reformationsfeier
Ort: Trinitatis-Kirche
Liverpool Cathedral Choir
Fr, 01.11.2024
10 Uhr
Pontifikalamt Allerheiligen
Ort: Kölner Dom
Liverpool Metropolitan Cathedral Choir, Liverpool Cathedral Choir, Kölner Domchor, Mädchenchor am Kölner Dom
Sa, 02.11.2024
20 Uhr
Mozart-Requiem
Ort: St. Aposteln
Eintritt: 18 €, erm. 9 € (Abendkasse)
Liverpool Metropolitan Cathedral Choir, Liverpool Cathedral Choir, Mitglieder des Gürzenich-Orchesters Köln
So, 03.11.2024
10 Uhr
Ort: Melanchthonkirche Zollstock
Gottesdienst
Liverpool Cathedral Choir
11.30 Uhr
Ort: St. Kunibert
Gottesdienst
Liverpool Metropolitan Cathedral Choir, Kölner Domchor
17.30 Uhr
Musikalisches Abendgebet
Ort: Kölner Dom
Liverpool Metropolitan Cathedral Choir
DOMRADIO.DE: Herr Metternich, erst kürzlich waren Sie mit dem Kölner Domchor und Domkantor Sperling mit dem Mädchenchor in Liverpool zu Gast. Konnten Sie bei Ihrer Englandreise die vor mehr als 20 Jahren begründete Freundschaft zwischen den Chören hier und dort noch einmal neu beleben?
Professor Eberhard Metternich (Leiter der Kölner Dommusik und Domkapellmeister): Das war so etwas wie eine Premiere, dass Oliver Sperling und ich vor 14 Tagen mit unseren beiden Chören, dem Mädchenchor am Kölner Dom und dem Kölner Domchor, aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der anglikanischen Kathedrale gleichzeitig Liverpool besucht haben und dort sowohl in der anglikanischen als auch in der katholischen Kathedrale mit den dortigen Chören gemeinsam aufgetreten sind. Genauso wichtig aber war uns in der Tat, diese schon so lange bestehende Freundschaft, die über Corona zum Erliegen gekommen war, mit neuem Leben zu füllen. Zuletzt war der Knabenchor der katholischen Kathedrale 2018 bei uns in Köln zu Gast gewesen.
Und diesmal nun waren wir mit beiden Chören in England unterwegs – das war schon etwas ganz Besonderes – weil wir sonst eher getrennt voneinander Konzertreisen unternehmen. Bevor wir dann jeweils in entgegen gesetzte Richtungen weitergereist sind, waren wir eben drei Tage lang zusammen am selben Ort.
Was wir dort gespürt haben, war eine sehr große herzliche Gastfreundschaft. Wir wurden mit offenen Armen empfangen und haben viel miteinander gesungen. Da gab es von Anfang an kein Fremdeln. Das waren einfach tolle Gottesdienste, die wir in den Kathedralen gemeinsam gestaltet haben. Aber es gab an einem Vormittag auch ein super organisiertes Sportprogrammangebot für alle: nicht nur mit Fußball, auch mit Tischtennis, Badminton, Tanzen, Basketball oder Netball, wie es dort genannt wird. Da konnte jeder etwas für sich finden, so dass das in der Summe sehr gefüllte kurzweilige und doch erlebnisintensive Tage waren und damit auch ein richtig schöner Start unserer jeweiligen Konzertreisen.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihnen am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben?
Metternich: Beeindruckend war, dass nur wenige Proben gereicht haben, um sich von Anfang an – auch musikalisch – zu verstehen und dann in den Gottesdiensten auf den Punkt zu sein. Auch der jeweilige feierliche Einzug war schon ein Erlebnis für sich, der auch jedes Mal eigens geübt wurde. Da wird nichts dem Zufall überlassen, alles soll seine Ordnung haben, wenn so viele Sängerinnen und Sänger eine Prozession bilden. Darauf legen die Engländer großen Wert.
Die katholische Kathedrale ist eine sehr moderne Kirche – ein großer Rundbau – und die war zum St. Edward-Fest, dem Fest des Heiligen Edward, der im elften Jahrhundert König von Großbritannien und 1161 heiliggesprochen wurde, mit über 2000 Menschen gefüllt. Da kamen dann viele Schulen, von daher haben die Liturgie viele junge Leute kräftig mitgesungen, was jedes Chorleiterherz höher schlagen lässt.
Das andere, was uns richtig gehend geflasht hat, war das sportliche Mit- bzw. manchmal auch Gegeneinander. Da war schön zu beobachten, wie auf der einen Seite die Konkurrenz da ist, man aber auf der anderen Seite auch ein Team bildet und sich mit viel Sportsgeist begegnet. Das zu erleben machte einfach große Freude.
DOMRADIO.DE: Es gibt so etwas wie die sprichwörtlich englische Chorkultur mit überaus renommierten Ensembles in ganz Großbritannien – nicht zuletzt weil es eine ausgeprägte College-Tradition gibt. Sie hatten nun während Ihrer Konzertreise, die Sie ja auch noch nach Lincoln, Peterborough, Ely und London führte, viel Berührung mit englischen Chören, haben oft gemeinsam musiziert. Wo machen Sie Unterschiede fest?
Metternich: Einen großen Unterschied gibt es schon allein in der Besetzung der Chöre. So werden Altstimmen zum Beispiel nicht mit Kindern, sondern nur Erwachsenen besetzt. Das heißt, die Besetzung erfolgt entweder mit eigens ausgebildeten Counter-Tenören oder auch mit Frauenstimmen. Und das ist im Verhältnis zu unseren Stimmen dann doch ganz anders. Man hat vielleicht zwischen 16 und 20 Knaben oder Mädchen im Sopran, und dazu kommen zwei Altisten, zwei Tenöre und zwei Bässe – oder bei besonderen Anlässen auch schon mal die doppelte Anzahl. Aber das unterscheidet sich doch sehr wesentlich von unserem Stimmenverhältnis, wo wir mit einer viel größeren Anzahl in den einzelnen Stimmgruppen singen. Der Domchor war jetzt zum Beispiel mit 15 Sopranen, 15 Altstimmen, acht Tenören und acht Bässen unterwegs.
Ein anderer Unterschied besteht in den Anforderungen, die an die Chöre dort gestellt werden. Jeder dieser beiden Liverpooler Chor singt wöchentlich mindestens drei Gottesdienste, dazu kommen die Proben. Diese Tradition der Evensongs, die täglich chorisch gesungen werden, teilen sich die Mädchen und die Jungen – inzwischen gibt es auch mehr Mädchenchöre in England – untereinander auf.
Zum Beispiel singt der Mädchenchor Montag, Mittwoch und Freitag, dagegen der Knabenchor Dienstag, Donnerstag und Samstag. Und Sonntag gibt es dann immer auch noch ein Hochamt und eine Vesper oder einen Evensong, der dann entsprechend im Wechsel gesungen wird. Also, das sind vier Dienste pro Woche, was sich merklich von unserem Pensum unterschiedet, wenn wir zweimal im Monat die Kapitelsmessen am Sonntag singen.
DOMRADIO.DE: Können Sie sich da angesichts dieser Disziplin für den eigenen Chor unter Umständen noch etwas abschauen?
Metternich: Nicht einmal unbedingt bei der Disziplin, die gibt es auch bei uns. Aber die Engländer haben durch diese häufigen Dienste einfach viel mehr Routine – auch im schnellen Lernen von Musik. Das muss dort immer recht flott gehen. Vor jedem Gottesdienst haben die Chöre nicht mehr als eine halbe Stunde Probe, alles andere wird bereits vorher im Zusammenhang mit der Schule erledigt – während wir uns am Sonntag doch immer schon um 8.45 Uhr im Probensaal Dom treffen, um das anstehende Programm noch einmal im Detail durchzugehen.
Meistens ist es so, dass die Kathedralen oder Colleges eng mit einer oder zwei Schulen zusammenarbeiten, sofern sie keine eigene Schule haben, so dass die Kinder ihre Choreinheiten in der Schule haben. Das ist ein System, wie wir es hier nicht entwickelt haben. Da haben wir einen anderen Ansatz.
DOMRADIO.DE: An diesem Donnerstag reisen nun 120 Sängerinnen und Sänger aus Liverpool an. Was steht für die Gäste in Köln auf dem Programm? Worauf freuen Sie sich am meisten?
Metternich: Der Chor der anglikanischen Kathedrale singt zunächst an diesem Donnerstag einen Gottesdienst zum Reformationstag in der Trinitatiskirche. Dann singen die Liverpooler gemeinsam mit unseren Chören am Fest Allerheiligen im Pontifikalamt die "Messe solennelle“ in cis-moll für gemischten Chor und zwei Orgeln von Louis Vierne aus dem Jahr 1899.
Am Samstag, 2. November, treten dann beide Liverpooler Chöre gemeinsam mit dem Requiem von Mozart und der Messe in g-moll von Ralph Vaughan Williams in St. Aposteln auf. Am Sonntag singen die Kölner Chöre mit dem katholischen Kathedralchor in St. Kunibert einen Gottesdienst, während der Chor der anglikanischen Kathedrale einen evangelischen Gottesdienst in Zollstock singt. Dazwischen ist noch ein Empfang im Rathaus mit Bürgermeister Wolf vorgesehen, zumal Liverpool ja Partnerstadt von Köln ist, und auch unserseits noch ein Sportangebot, womit wir uns für die sportlichen Partien in Liverpool revanchieren wollen und dann hoffentlich alle genauso viel Spaß haben wie wir bei unseren englischen Gastgebern.
Damit noch nicht genug: Auch wir haben zeitgleich ein volles Programm. Denn ein Teil unserer Chöre tritt Freitag- und Samstagabend in der Philharmonie auf, wenn das WDR-Rundfunkorchester und der WDR-Rundfunkchor unter der Leitung von Cristian Macelaru Mahlers Dritte aufführen. Von daher können wir uns auch nicht alle das Mozart-Requiem unserer Gäste anhören. Unsere Verpflichtungen laufen ja immer weiter.
DOMRADIO.DE: Der Höhepunkt wird zweifelsohne die Chorbegegnung im Pontifikalamt mit Erzbischof Woelki zu Allerheiligen im Kölner Dom sein; an einem Feiertag, den es so in England nicht gibt. Dazu haben Sie sich eine ganz besondere Literatur ausgesucht…
Metternich: Ganz klar, für mich ist das Highlight in jedem Fall die Vierne-Messe am Feiertag im Dom, die allein bei uns schon deshalb einen besonderen emotionalen Stellenwert hat, weil sie immer bei der feierlichen Aufnahme des Chornachwuchses am Anfang eines Jahres im Dom gesungen wird.
In diesem Fall treten mit diesem monumentalen Werk nun gleich vier Chöre mit insgesamt fast 300 Sängerinnen und Sänger auf, die wir zu jeweils zwei Chören auf dem Chorpodest aufstellen – da werden alle Mädchen stehen – und vor dem Klarenaltar die Knaben, die von da ihren Einsatz haben. Also stehen sich beide Chorgruppen jeweils in den Seitenschiffen gegenüber.
Schon allein der Einzug mit so vielen jungen Leuten wird ein Fest. Das ist große Musik in einer großen Kathedrale, die an diesem Morgen eine außergewöhnliche Klangfülle haben wird, wie sie selten in einem Gotteshaus zu hören ist. Darauf freue ich mich sehr und bin mir jetzt schon sicher: Der Dom wird erbeben.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.
DOMRADIO.DE überträgt am Hochfest Allerheiligen das Ponifikalamt ab 10 Uhr live in Bild und Ton!