"Die Musik steht im Zentrum" - Erzbischöfliche Musiktage nach Corona mit neuem Teilnehmerrekord
Musizieren in Gemeinschaft macht Spaß. Das beweisen die Schülerinnen und Schüler der Erzbischöflichen Schulen, die in nur fünf Tagen eine Messe für die Liturgie einstudiert haben. An diesem Sonntag führen sie sie in Altenberg auf.

DOMRADIO.DE: Herr Geibel, in diesem Jahr finden die Erzbischöflichen Musiktage, die die Schulabteilung im Generalvikariat traditionell gemeinsam mit der Dommusik ausrichtet, bereits zum 33. Mal statt. Mit 130 jungen Leuten sind Sie diesmal am Kapazitätslimit angekommen, weil alle Betten in Haus Altenberg belegt sind. Was macht den besonderen Reiz dieser Veranstaltung aus?
Joachim Geibel (Leiter der Musikschule der Kölner Dommusik): Die Schülerinnen und Schüler kommen aus dem gesamten Erzbistum zusammen und sind hochmotiviert, sich der Herausforderung zu stellen, in kurzer Zeit gemeinsam an einem musikalischen Werk zu arbeiten und damit Teil eines Gestaltungsprozesses zu sein. Alle bringen musikalische Vorerfahrung mit oder haben sich im Vorfeld schon mit den Noten, die ich zur Verfügung gestellt habe, auseinandergesetzt, um so mit der Messe, die diesmal auf dem Programm steht und am Sonntag in der Liturgie aufgeführt wird, schon ein wenig vertraut zu sein – was allerdings keine Bedingung ist.
Darüber hinaus trifft man hier ganz viele Menschen, mit denen man vielleicht musikalisch oder menschlich auf derselben Wellenlänge ist. Es ist ja nicht nur das Proben im Chor oder im Orchester, was Freude macht. An den Abenden finden Workshops ganz unterschiedlicher Art statt. Man kann tanzen oder zeichnen, in einem Gospelchor mitmachen oder in einer Folkband spielen. Es gibt also das Angebot, auch mal etwas ganz Neues auszuprobieren und sich hier kreativ auszutoben. Die Ergebnisse werden dann bei einem bunten Abend präsentiert. Die Mischung aus Musik, viel Austausch, einer schönen Umgebung und einer tollen Gemeinschaft, eingebettet in ein Morgen- und ein Abendgebet, macht die Attraktivität dieser Tage aus. Mit anderen Worten: Das Gesamtpaket stimmt.
DOMRADIO.DE: Immer zwischen Aschermittwoch und dem ersten Fastensonntag studieren Sie mit den Jugendlichen eine komplette Messe ein, die an diesem Sonntag um 11 Uhr im Altenberger Dom zur Aufführung gelangt und am kommenden Sonntag dann noch einmal im Kölner Dom. In diesem Jahr ist es die Pastoralmesse in F-Dur von Anton Diabelli. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Literatur aus?
Geibel: Es muss eine Messe sein, die in diesen Tagen zu schaffen ist, die gleichzeitig musikalisch ansprechend ist und die auch von der Besetzung zu den Instrumenten passt, die wir haben. Das ist ein breites Spektrum, und alle sollen auch einen Part haben. Da sich Streicher, Holzbläser und auch Blechbläser angemeldet, können wir ein halbwegs frühromantisches Orchester zusammenstellen. Und so passt Diabelli ganz wunderbar, weil er eine große Besetzung vorsieht und damit alle Instrumentalisten auch zum Einsatz kommen. Etwas Passendes zu finden, ist natürlich immer eine Herausforderung – auch weil es nicht zu anspruchsvoll sein soll. Diabelli ist in die späte Wiener Klassik einzuordnen; als Zeitgenosse Schuberts war er schon auf dem Weg zur Romantik. Und so ist seine Pastoralmesse eine schöne und eingängige Musik, die gut ins Ohr und schnell ins Herz geht.

DOMRADIO.DE: Wenn man den vielen Chormitgliedern, aber auch Instrumentalistinnen und Instrumentalisten beim Einstudieren dieses Werkes zuschaut, beeindruckt die Ernsthaftigkeit, mit der sie hier bei der Sache sind. Welche Beobachtungen machen Sie bei der Arbeit mit den Teenagern?
Geibel: Ich muss hier zum Glück nicht in der Rolle eines Lehrers sein, wie die Jugendlichen es sonst vielleicht vom eigenen Schulorchester oder -chor kennen. Alle sind freiwillig hier, und so versuche ich, mit den jungen Erwachsenen möglichst professionell zu arbeiten. Diese Haltung impliziert, dass beide Seiten ihr Bestmögliches geben. Jedenfalls merke ich, dass das zwischen uns funktioniert und die Jugendlichen auf diesen Umgang miteinander ansprechen, wir dasselbe Ziel verfolgen, was Arbeit und Mühe kostet, sich am Ende aber eben auch auszahlt und alle zufrieden macht. Denn darum geht es ja, ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen, das heißt, Musik zu machen, die andere berührt. Das ist der Anspruch.
Ich spüre, dass alle eine große Bereitschaft mitbringen, viel Einsatz zeigen und es in der Summe gut gefüllte Tage sind. Man merkt eben, dass alle Freude an Musik haben, sich anregen lassen, auf mich reagieren, von daher auch unmittelbar umsetzen, was ich sage, und wir auf diese Weise in kurzer Zeit recht schnell gute Fortschritte machen.

DOMRADIO.DE: Zur Kölner Dommusik gehört die Kölner Domsingschule, in der Kinder schon früh mit Musik, aber vor allem auch mit der eigenen Stimme vertraut gemacht werden. Nicht wenige von ihnen sind dann ein paar Jahre später hier in Altenberg mit dabei. Welchen Mehrwert hat Musik für Kinder?
Geibel: Zu singen oder ein Instrument zu lernen lohnt sich immer, weil die Musik es wert ist und vor allem, weil ich der Überzeugung bin, dass Heranwachsende die Möglichkeit haben sollten, sich als Individuum künstlerisch-ästhetische Ausdrucksformen – wie die Musik – anzueignen. Und ich merke bei diesen Schülern, aber auch bei den jüngeren in der Musikschule der Dommusik, dass sie sehr viele Sekundärkompetenzen erwerben: zum Beispiel Frustrationsbereitschaft oder Anstrengungsbereitschaft, eine Aufmerksamkeit, die es braucht, um so lange auf hohem Niveau konzentriert zu sein, dann Sensibilität, ein Aufeinander-Hören; also in der Summe Kompetenzen, die man über die Auseinandersetzung mit Musik lernt und die einem auch sonst im Leben von Vorteil sind. Allem voran aber steht die Musik selbst, die nicht Mittel zum Zweck, sondern das Zentrum ist. Mich beeindruckt immer wieder, wie viel Jugendliche doch bereit sind zu leisten, wie viel sie sich aneignen können und dafür auch Energie aufbringen.

Ich selbst kenne solche Formate wie die Erzbischöflichen Musiktage aus eigener Erfahrung. Bis heute bin ich froh, dass ich schon als Kind so etwas erleben durfte. Denn solche Angebote waren für mich der Grund, dass ich an der Musik dran geblieben bin. Das den Jugendlichen abseits von Schule und den üblichen Strukturen ermöglichen zu können, mal für fünf Tage hierher nach Altenberg zu kommen und ausschließlich Musik zu machen, das wird die Jugendlichen sicher ihr Leben lang begleiten.
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Das Interview führte Beatrice Tomasetti.